„Suffizienz – ein Weg für das Umweltrecht?“

23.08.2024

Am 12. Juni luden die Veranstalterinnen Dragana Damjanovic (TU), Iris Eisenberger (Universität Wien) und Verena Madner (WU) zur vierten Ausgabe des Wiener Juristischen Salons.

Als Gast konnte der deutsche Rechtswissenschaftler Franz Reimer gewonnen werden, der seinen Vortrag unter den Titel „Suffizienz – ein Weg für das Umweltrecht?“ stellte. 

Suffizienz – ein Begriff, der auch mit „Verzicht“ umschrieben werden kann – sei ein „alter Hut“, hält Franz Reimer am Beginn seines Vortrages fest. Schließlich begegnet sie einem bei Alltagssituationen wie dem Eco-Spülmaschinenprogramm, das aufgrund einer EU-Richtlinie bereits als Standardprogramm voreingestellt ist, um Energie und Wasser zu sparen. Ausgehend von dem Gedanken, dass die Erde ökologischen Belastungsgrenzen (sogenannten planetaren Grenzen) unterliegt, widmete sich Franz Reimer seinen Überlegungen. „Denn nichts ist praktischer als eine gute Theorie“, wie er dazu augenzwinkernd festhielt. 

Der erste Punkt befasste sich mit der Tauglichkeit von Suffizienz als Terminus Technicus. Auch wenn die politische Debatte um Verzicht eine unbequeme sei, so könnte ein wenig Verzicht im Hier und Jetzt besser sein als ein ansonsten notwendiger radikaler Verzicht in der Zukunft. Franz Reimer zeigte zudem auf, dass Gesetze gemeinhin einen Suffizienzkern aufweisen, da sie meist Verhaltensspielräume einschränken. 

In weiterer Folge ging es um die Herausforderungen, die Suffizienz als Regelungsstrategie in sich birgt. Zu den politischen Problemen zähle die fehlende gesellschaftliche Akzeptanz für Verzicht, die Franz Reimer am Beispiel eines möglichen Tempolimits in Deutschland illustrierte. Als kulturelle Problematik führte er an, dass Suffizienz in persönliche Lebensbereiche eingreife und stellte die demonstrative Frage, ob eine Kreuzfahrt für viele Menschen nicht teil eines erfüllten Lebens sei. Zu den rechtlichen Implikationen führte Franz Reimer aus, dass sich aus dem bestehenden (deutschen) Rechtsrahmen zwar keine Pflicht zur Suffizienz ableiten ließe, die Förderung derselben aber gleichzeitig auch nicht verboten sei. 

Anschließend fasste er zusammen, dass Suffizienz eine sinnvolle bzw in Hinblick auf die Umwelt und den Klimawandel sogar notwendige Regelungsstrategie sei, aber gleichzeitig soziale und ökonomische Probleme mit sich bringe. Daher könnte Suffizienz als „Brückenstrategie“ gedacht werden, die nur temporär gilt, bis etwa die technologischen Möglichkeiten ausreichen. Schlussendlich sprach sich Franz Reimer ebenso dafür aus, Dogmatik nicht nur aus einer „Normalperspektive“ zu betreiben, sondern auch hinsichtlich der großen Herausforderungen des Klimawandels. 

Der äußerst informative und ebenso pointierte Vortrag endete mit einer angeregten Diskussion. Thematisiert wurden unter anderem das Verhältnis von Suffizienz und Nachhaltigkeit sowie Maßnahmen, um mögliche soziale Folgen abzuschwächen. Gefragt wurde auch, wen Suffizienzmaßnahmen primär treffen sollten und was aus Suffizienz für Governance und partizipative Demokratie folgt.